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Das Flachsprojekt 2020 [beendet]

Dieser Beitrag ist ursprünglich am 11.08.2020 erschienen und wurde am 06.10.2020 aktualisiert.

Ich gebe zu: Ich spinne nicht gerne Leinen. An sich finde ich das Material toll, aber das Spinner der aufbereiteten Flachsfasern hat mir nie besonders viel Freude gemacht. Und trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, habe ich angefangen mich näher mit der Leinenherstellung zu beschäftigen.

Anfang des Jahres (2020) habe ich mich gefragt, ob das Spinnen von Leinen vielleicht mehr Charme bekommen würde, wenn ich ganz am Anfang ansetze und es mit selbst angebautem Flachs versuche.

An dieser Stelle ein kurzer Hinweis zu den Begriffen Flachs und Leinen: Die Samen der Pflanze werden inder Regel als Leinsamen bezeichnet, die Pflanze selbst als Flachs. Erst nach der Weiterverarbeitung der Pflanze zu Fasern wird wieder von Leinen gesprochen.

Die Idee irgendwann mal selbst Flachs anzubauen gefiel mir gut – allerdings mit der Betonung auf „irgendwann“. Dazu man man über mich wissen, dass ich eigentlich keinen besonders grünen Daumen habe und die Gartenpflege bei und bisher ausschließlich aus Rasen mähen und Hecke schneiden bestand
Dann kam die Corona-Pandemie um die Ecke. Und aus heiterem Himmel fing ich an Blumen und Gemüsepflanzen im Garten zu züchten. Mit der Zeit kam mir dann auch meine Flachsidee wieder in den Sinn. Ich fing an ein wenig zu recherchieren und ohwohl ich bald (im Juni) herausfand, dass man Leinsamen eigentlich Ende April/Anfang Mai aussät, beschloss ich es einfach zu versuchen. 

Die wichtigsten Resultate meiner Recherche (in meinen Augen):

  • Flach mag keinen Bodenfrost
  • Die Pflanze wird nicht vorgezogen sondern Ende April / Anfang Mai (wenn kein Frost mehr zu befürchten ist) direkt in reichhaltiger Erde ausgesät und nach 100-120 Tagen geerntet (gerauft).
  • Flachs ist im großen und ganzen wohl sehr pflegeleicht
  • Das Beet sollte einen sonnigen Standort haben
  • Gesät wird mit einer Dichte von ca. 1900 Pflanzen (!!!!) pro Quadratmeter und mit einer Saattiefe von 2-3cm
  • Es gibt unterschiedliche Flachssorten mit verschiedenen Eigenschaften (dazu später mehr) 

Die Suche nach Samen gestaltete sich etwas schwierig. In den Geschäften in meiner Umgebung fand ich leider gar nichts. Im Internet stieß ich lediglich auf „Blauen Lein“ und bestellte diesen. Ich hatte durchaus gelesen, dass es unterschiedliche Flachssorten gibt und dass man für die Herstellung von Textilien besonders hoch wachsenden Flachs bevorzugen sollte. Aber ich sah in den Beschreibungen (wahrscheinlich aus mangelnder Erfahrung) nicht wirklich Hinweise darauf, welche Sorte sich besser eignete bzw. wie sich die angebotenen Samen unterscheiden würden. Es sei darauf hingewiesen, dass auch andere Flachssorten blau Blüten tragen – was ich extrem verwirrend finde – aber auf der Suche nach Faserlein zum Beispiel habe ich erst Mal nichts gefunden. 

Spoiler:
Mittlerweile habe ich gelernt, dass „Blauer Lein“ wohl nicht sehr gut für die Textilherstellung geeignet ist, weil die Stengel nicht kräftig und lang genug werden – was mich natürlich nicht davon abhält es trotzdem zu versuchen. Empfohlen wurden mir diese Onlineshops www.dreschflegel-saatgut.de und  www.flachs.de, die gute Faserleinsorten anbieten,- also solche, die sich gut zu Fasern weiterverarbeiten lassen. Damit werde ich es wohl nächstes Jahr noch Mal probieren. 

Ende Juni (genauer am 21.06.2020) habe ich dann ein etwa 2x2m großes Beet in unserem Garten umgegraben und die Samen dort in Reihen mit etwa 20cm Abstand ausgesät (mittlerweile habe ich gelesen, dass der Abstand auch sehr viel geringer sein kann, etwa 10cm). Normalerweise sät man flächig, da ich aber ein komplett unbeschriebenes Blatt bin, was das angeht, war es mir lieber in geordneten Reihen auszusäen. Auch weil ich nun wirklich wenig bis gar keine Ahnung hatte welche Pflanzen wie aussehe. Da ich mir dir Reihen mit Fäden markiert hatte, wusste ich aber „was hier wächst, ist (im besten Fall) der Flachs. Alles andere Unkraut“.

Das Flachsbeet direkt nach der Aussat am 21.06.2020

In der ersten Woche habe ich regelmäßig und gut gegossen und einmal mit Kaffeesatz gedüngt (Flachs mag wohl Dünger auf Phosphor- und Kaliumbasis). Danach nur noch, wenn es mir nötig erschien.

30.06.2020 Nach einer Woche sind schon die ersten Pflanzen zu sehen
19.07.2020 also knapp einen Monat nach der Aussaat
03.08.2020 1,5 Monate nach der Aussaat sieht das Beet richtig voll und schön aus. (Das Blumenbeet daneben auch).

Mittlerweile (Anfang August) sind die Pflanzen knapp 40cm hoch. Ende September sollten sie ausgewachsen und bereit zum Raufen sein. Allerdings beobachte ich auch, dass mein Beet sehr unter der aktuellen Hitze leidet und ich häufiger gieße und nicht ganz sicher bin, ob die Flachspflänzchen es schaffen. Aber wir drücken alle die Daumen, nicht wahr. 

Nach dem Raufen (dem Ausrupfen der Pflanzen samt Wurzel), wird der Flachs in Bündeln getrocknet, geröstet und/oder gerottet (dazu in Zukunft mehr) und dann in mehreren Schritten (Brechen, Ausschwingen, Hecheln) zu spinnbaren Fasern aufbereitet. Dafür braucht es auch einige Gerätschaften, die ich (zum Teil) noch beschaffen muss oder selbst bauen (lassen) werde. Eingezogen ist heute (11.08.2020) schon eine alte Flachsbreche, die Lisa mir zum Geburtstag geschenkt hat

Es bleibt also spannend und ich werde euch auf jeden Fall auf dem Laufenden halten, indem ich diesen Beitrag aktualisieren werden, wenn es mehr zu berichten gibt. 

03.10.2020

Leider muss ich das Flachsprojekt an den Nagel hängen – zumindest für dieses Jahr.
Nachdem es doch so gut angefangen hatte, habe ich schon einige Pflänzchen während der Unwetter im späten August einbüßen müssen.
Ende September wären dann die 100 Tage um gewesen und ich hatte mir eigentlich vorgenommen am 24. + 25.09. die Pflanzen zu raufen (mit den Wurzeln aus der Erde zu ziehen) – obwohl sie noch nicht annährend so groß waren wie ich gehofft hatte. Nur ca. 60cm. Aber das lag wohl an der Sorte und darauf hatte ich mich ja schon eingestellt.

Leider war viel los und ich wollte die Aufgabe auf das Wochenende schieben. An diesem Freitag, 25.09.2020, hat es dann heftig angefangen zu regnen und danach lagen alle Pflanzen am Boden. Zuerst hatte ich noch die Hoffnung es würde vielleicht wieder trocken werden, aber das wurde es leider nicht. Nun sieht das Feld ziemlich zerstört aus und die Ernte ist dahin.

Natürlich hält mich das nicht davon ab, es nächstes Jahr noch einmal zu versuchen! Man darf nicht aufgeben. Aber auf jeden Fall habe ich einiges aus diesem Projekt gelernt:

  1. Die Sorte spielt offensichtlich tatsächlich eine Rolle.
  2. Es macht Sinn früh auszusähen, weil das Wetter im Spätsommer/Frühherbst den reifen Pflanzen nicht gut tut.
  3. Flachs mag kein Unwetter – ich glaube das nächste Mal würde ich noch mehr Samen aussähen, um ein dichteres Feld und weniger Verlust zu haben. Denn so ein Sommergewitter ist ja nicht selten.

Ich freue mich auf jeden Fall aufs nächste Jahr!

  1. sandra marschall

    das ist sehr spannend, ich drücke dir die grünen daumen

  2. Da bin ich ja sehr neugierig, wie’s weitergeht

  3. super, ich bin gespannt, wie es weitergeht!
    ich bin erst in diesem corona-jahr zu dir gestossen und finde deine Anleitungen toll! danke 🙂

  4. Angelika Nistl-Janssen

    Ganz großartig, wie Du alles selbst ausprobierst und dadurch die alten Arbeitstechniken erhältst und für die heutige Zeit auch verbesserst und verfeinerst ! Gratulation ! Deine genauen Anleitungen sind super zum Nacharbeiten ! P.S. Vielen Dank noch für Deine Antwort zum Espinner – das hat mir sehr geholfen !!!

  5. Christiane Trettin

    Sehr spannendes Projekt! Ich finde es toll, immer wieder etwas neues zu lernen. Du offensichtlich auch 🥰

  6. WOW, das finde ich superspannend!
    Danke fürs dokumentieren, freue mich schon auf die Fortsetzung.

  7. Hallo liebe Chanti,
    Mit großem Interesse habe ich eben deinen Bericht gelesen. Ich selber habe es mit dem Flachsanbau noch nicht probiert, verarbeite aber die Fasern sehr gerne. Ich besitze 2 schöne Flachsräder aus Südschweden bzw. Norwegen, die ich mal auf dem Flohmarkt erstanden habe. Beide stehen im Handwebmuseum Rupperath, wo ich ehrenamtlich arbeite und u.a. auch das Flachsspinnen zeige. Zur Zeit übe ich mich darin, jeweils nur mit einer Hand die Fasern auszuziehen – immer abwechselnd mal mit der einen, mal mit der anderen. Ich habe nämlich vor, irgendwann eines der Doppelflügelspinnräder aus unserer Sammlung auszuprobieren…
    Im Museum zeigen und erklären wir u.a. alle Arbeitsschritte, die zur Gewinnung der Flachsfasern nötig sind. Ich lade dich ganz herzlich ein, uns zu besuchen und dir alles anzuschauen. Wenn du möchtest und dir noch Gerätschaften für deine Versuche fehlen, kannst du auch gerne unsere Werkzeuge benutzen.
    Viele liebe Grüße
    Barbara

  8. Sue Reichelt

    Wir haben Ende September. Hast du den Flachs geerntet?

  9. Frank Nickel

    Oh schade dass es nicht richtig geklappt hat. Aber Erfahrungen sammeln ist ja auch nicht schlecht. Ich hab in diesem Jahr zum ersten Mal Waid angebaut und die gesamte Ernte versemmelt 🙁
    Ich hab mal gelesen, dass Flachs auch deshalb sehr eng gesät wird, damit er schön in die Höhe wächst und keine Seitentriebe bildet. Es sollen ja gerade und lange Stängel entstehen.
    Viel Erfolg im nächsten Jahr und liebe Grüße
    Frank

    • Lieber Frank, das macht Sinn. Danke für deinen Kommentar. Nächstes Jahr werde ich auch noch enger säen, glaube ich. Ich hab nämlich durchaus das Gefühl gehabt, dass es zu viele Seitentriebe gab. Ganz herzliche Grüße
      Chanti

  10. Ein sehr nteressantes Experiment! Danke dir fürs posten.
    Ich spinne auch Leinen, würde es aber immer nut zusammen mit Ramie verarbeiten, nicht mit Wolle. Ich kann tatsächlich da keinen Simn drin sehen.
    Beim nächsten mal viel Erfolg!

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