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Mein Flachsprojekt 2021/22

In diesem Artikel und Video (ganz unten) zeige und erzähle ich euch wie der Stand meines Flachsprojekts ist. Es geht um das Selbstanbauen der Flachspflanzen, um das Trocknen und Rösten der Pflanzen, so wie um die Aufbereitungsschritte des Brechens, Schwingens und Hechelns. Es gab bereits viel zu lernen während dieses Projektes und ein paar der Erfahrungen, die ich gemacht habe, möchte ich gerne mit euch teilen.

Mein Anbau 2021

Der Anbau meiner Flachsfasern in letztem Jahr stand leider nicht unter dem besten Stern. Erst einmal habe ich mein Beet im April 2021 (im Video habe ich versehentlich Mai gesagt) etwas unglücklich angelegt. In einer Ecke meines Gartens, so dass ich nicht wirklich leicht an alle Stellen heran kommen konnte, um Unkraut zu jäten. Darüber hinaus ist mir erst mit der Zeit bewusst geworden, dass in die Ecke gar nicht so viel Sonne kommt. Dieser Fakt hatte tatsächlich großen Einfluss auf das Wachstum der Pflanzen. Überall dort, wo das Beet lange oder ausschließlich im Schatten lag sind die Pflanzen viel langsamer oder auch gar nicht gewachsen.

Hier sieht man das Beet nach etwa 6 Wochen. Die Pflanzen hinten und in der Ecke sind mitunter sehr klein und es gibt einige kahle Stellen.
Gekauft hat ich Faserlein Saatgut der Sorte Felice
2022 habe ich mein Beet an einem sonnigeren Standort angelegt und von 3 Seiten zugänglich gemacht. Hier sind die Pflanzen der Sorte Calista nach 6 Wochen. Ich habe auch die Sorte Avian angebaut.

Leider kam im Juli 2021 dann auch noch das Hochwasser hinzu, während dessen das komplette Beet unter Wasser stand. Ich hatte erst alles verloren geglaubt, aber am 27.07. habe ich dann doch gerettet was zu retten war.

Raufen

Ende Juli habe ich mich daran gemacht die Pflanzen zu ernten bzw. zu raufen. Die Stängel werden nah dem Boden festgehalten und samt der Wurzel heraus gezogen, um einen möglichst hohen Faserertrag zu gewährleisten.

Das sind die Wurzeln meiner Ernte 2022. 2021 habe ich leider kein Foto gemacht. Die Wurzeln sollten so weit wie möglich von Erde befreit werden!

Trocknen

Nach dem Raufen habe ich die Stängel erst Mal in kleinen Bündeln zum Trocknen aufgehangen. Davon seht ihr eine Aufnahme im Video.

Riffeln

Um die Samenkapseln zu entfernen, werden die Pflanzen geriffelt. Man verwendet einen grobzinkigen, gußeinernen Kamm, der so befestigt wird, dass man die Pflanzenstängel hindurch ziehen kann.

Meinen Flachsriffel habe ich von Melanie alias @faser.und.stoff geschenkt bekommen

Meine Ernte von 2021 hatte nicht genug Samenkapseln, dass sich dieser Schritt gelohnt hätte. Mit meiner Ernte dieses Jahr habe ich das aber probiert und die Samenkapseln auf einem Bettlaken gesammelt, dass ich unter gelegt hatte. Später habe ich die Samen von den Kapseln getrennt und tatsächlich ein ganz gute Ausbeute erhalten, die ich nächstes Jahr abermals aussäen werde.

Füllt man die Samenkapseln in eine Schüssel und knetet sie gut durch, öffnen sie sich. Dann braucht man ein wenig Wind und schüttet das Ganze immer wieder mit etwas Abstand auf einen Teller. Jedes Mal fliegen ein paar Kapseln weg und die Samen landen auf dem Teller. Es dauert allerdings echt lange, bis nur noch die Samen zurückbleiben.

Rösten

Um den hölzernen Kern von den Fasern zu trennen, werden die Stängel geröstet. Ich habe mich für eine Tauröste entschieden. Die getrockneten Pflanzen werden auf einer Wiese ausgelegt und sind damit dem Wetter und den Elementen ausgesetzt – Regen, Sonne, Wärme und Kälte wirken auf die Pflanzen und es findet ein bakterieller Zersetzungsprozess statt. Ich muss gestehen, ich hatte große Angst den richtigen Zeitpunkt zu verpassen und habe die Röstzeit dadurch schlußendlich zu früh abgebrochen.

Meine Ernte 2021 zum Rösten ausgelegt.

Richtig geröstet sind die Pflanzen, wenn der Holzkern sich sehr sehr leicht zerbrechen lässt und dabei regelrecht zerfällt. Die holzigen Teilen sollten sich leicht von den Fasern lösen lassen und auch die Fasern sollten leicht auseinander gehen.

Theorie und Praxis sind aber zwei verschiedene Schuhe! Wie in so vielen Bereichen. Ich habe nach etwa 4 Wochen beschlossen, mein Flachs sei fertig geröstet, weil sich die holzigen Teile brechen und aus den Fasern heraus trennen ließen. Heute weiß ich, dass sich das brechen noch leichter hätte anfühlen sollen, und dass es besser ist, wenn die holzigen Teile dann gleich von alleine herausfallen. Mein diesjähriger Flachs ist nun fast fertig geröstet und dabei habe ich genau das erlebt. Man lernt nie aus.

Durch meine Ernte 2022 habe ich gelernt, dass es durchaus einen positiven Effekt auf die Röste hat, die Fasern regelmäßig zu wenden und gut auszubreiten.

Dieses Jahr habe ich darauf geachtet, meine Pflanzen währen der Röste regelmäßig zu wenden, damit sie gleichmäßig bearbeitet werden.

Brechen

Die Breche hat Colin mir schon 2020 geschenkt, als ich das erste Mal (erfolglos) Flachs angebaut habe (es ist wirklich sinnvoll spezielle Faserlein-Samen zu kaufen und nicht irgendwelche Flachssamen). Dieses Jahr im Sommer habe ich sie dann endlich getestet. Mit der Breche werden die Holzkerne der Stängel gebrochen, damit sie so weit möglich raus fallen bzw. in den nächsten Schritten komplett entfernt werden können. Man sollte nicht zu viele Stängel auf einmal in die Hand nehmen, habe ich gemerkt, sonst wird es sehr schwierig. Aber ansonsten ist diese Arbeit sehr selbsterklärend. Die Stängel werden in der Mitte fest gehalten, in die Breche gelegt und langsam heraus gezogen, während man den beweglichen Teil immer wieder anhebt und auf die Stängel absenkt. Zwischendurch dreht man die Pflanzen in der Hand, damit sie von beiden Seiten gleichermaßen behandelt werden. Und man wiederholt das ganze mehrmals um die hölzernen Teile in möglichst kleine Stücken zu zerteilen.

Nach diesem Arbeitsschritt hatte ich schon den Eindruck, dass die Holzschäben sich nicht wirklich gut von den Fasern trennen ließen. Nachdem ich vorher nur unsicher war, ob ich die Stängel lange genug hab rösten lassen, war ich mir nun sicher. Aber offen gestanden, hat mich das nicht entmutigt. Ich habe einfach weiter gemacht und mir vorgenommen diese Erfahrung mit in die nächsten Jahre zu nehmen.

Schwingen

Im nächsten Schritt, dem Schwingen, sollen so viele Holzschäben wie möglich aus den Fasern geholt werden. Dafür legt man die gebrochenen Fasern über einen Schwingbock und streicht sie mit einem Holzschwert aus. Ich habe mir dazu einen Schwingbock aus Holzresten gebaut und ein Kinderholzschwert verwendet, dass ich an einer Klingenseite noch etwas angeschliffen habe, damit es schärfer ist (auch nicht zu scharf, man will ja die Fasern nicht kaputt machen).

Mein selbstgebauter Schwingbock und das zweckentfremdete Kinderschwert haben mir gute Dienste geleistet, auch wenn die Bedingungen suboptimal waren.

Ein größeres Schwert wäre sicher hilfreich gewesen. Aber da die Schäben noch sehr stark an den Fasern geklebt haben, war es in meinem Fall ohnehin etwas schwierig. Ich habe durchaus einiges entfernen können, aber dabei sind auch jede Menge Fasern drauf gegangen.

Die Fasern werden wie beim Brechen in der Mitte festgehalten und gleichermaßen von beiden Enden aus bearbeitet.

So sah mein Bündel nach dem Schwingen aus

Hecheln

Die Fasern werden dann über Hecheln gezogen, um sie zu kämmen und weitere Schäben zu entfernen. Meine Hecheln habe ich mir über Kleinanzeigen zusammen gekauft. Das Angebot ist sehr groß, aber dennoch habe ich sehr lange gesucht, um bezahlbare und gut erhaltene Hecheln in unterschiedlichen Feinheiten zu finden.

Man zieht die Fasern erst über gröbere Hecheln, bei denen die Nadeln dicker sind und einen größeren Abstand haben. Daraufhin zieht man sie durch feinere Hecheln und durch ganz feine, um ihnen den letzten Schliff zu geben.

Das Bedarf tatsächlich einiger Übung und ich habe fest gestellt, dass man die Fasern wirklich gut festhalten muss, damit nicht zu viele davon in den Nadeln hängen bleiben. Am besten ist man wickelt sie einmal komplett um die Hand. Mit der anderen Hand kann man die Fasern ein wenig runter drücken, damit sie durch die Nadeln gezogen werden und nicht nur darüber. Aber nicht auf die Nadeln fassern! Die sind wirklich spitz und gefährlich.

Abgebildet ist der feinste Hechel, den ich habe. Auf diesem Bild habe ich alte Flachsdocken aus Berta´s Flachs-Projekt nachgehechelt. Alte Docken zum Üben zu Verwendung ist ohnehin eine gute Idee!

Ich fand diesen Arbeitsschritt spannend und spaßig zugleich, auch wenn ich direkt bei der groben Hechel viel Verlust hatte, weil die Schäben so stark an den Fasern geklebt haben und damit auch immens viele Fasern in der Hechel hängen geblieben sind.

Die Reste, die in den Hecheln hängen bleiben, kann man übrigens durchaus noch verwenden. Die Teile mit vielen Schäben kann man zum Kaminanzünden benutzen, wenn man einen hat. Die feineren, aber mitunter kürzeren Fasern nennt man Werk und man kann sie noch einmal kämmen oder kardieren und zu einem gröberen Garn spinnen.

Meine Ausbeute aus dem Jahr 2021

Meine Docke, die eingedrehten Langfasern, ist nun wirklich miniminiklein. Es ist normal, dass man bei der Verarbeitung von Flachs eine Menge Verlust hat, aber mein sehr großer Verlust war wahrscheinlich vor allem auf die schlechte Röste zurück zu führen. Vielleicht auch ein wenig auf das Hochwasser.

Fazit

Es klingt jetzt erst einmal nach viel Aufwand für nichts. Aber eigentlich ist es das gar nicht. Man hat einmal Aufwand um das Beet anzulegen und auszusäen. Das Raufen und zum Trocknen Aufhängen geht bei so kleinen Beeten eigentlich recht schnell. Das Riffeln ist aufwendig, aber auch an einem Tag erledigt. Für meine Ernte von diesem Jahr (ca. 500g Pflanzen) habe ich keine Stunde gebraucht. Das Rösten nimmt nur ein paar Minuten jede Woche in Anspruch. Die wirklich aufwändigen Arbeitsschritte sind das Brechen, das Schwingen und das Hecheln. Wie viel Zeit man dafür braucht, hängt natürlich von der Menge des zu verarbeitenden Materials ab. Ich hab noch nicht mal einen Nachmittag gebraucht.

Übrigens habe ich ja auch die Samen noch von den Samenkapseln getrennt – das war wahrscheinlich der aufwändigste Arbeitsschritt in diesem ganzen Prozedere. Aber irgendwie auch sehr meditativ und befriedigend.

Ich habe diesen Prozess unglaublich genossen und freue mich schon darauf meine Ernte von diesem Jahr (2022) weiter zu verarbeiten. Just gestern (Tage nach Fertigstellung des Videos) habe ich meine gerösteten Pflanzen nach ca. 5 Wochen zum Trocknen rein geholt. Ich bin sehr gespannt, wie es dieses Mal wird. Mit Sicherheit werde ich wieder ganz viele wertvolle Erfahrungen machen und einiges dazu lernen. Und nächstes Jahr wird es dann noch besser!

Und mindestens genauso freue ich mich natürlich aufs Spinnen. Dazu und zu der Verarbeitung meiner diesjährigen Ernte wird es sicher noch ein Video geben.

YouTube-Video: Mein Flachsprojekt 2021/2022




  1. Alex Galonska

    Hallo,
    das hast Du toll beschrieben!
    Im Letzten Jahr haben wir (die Spinngruppe Borken Burlo) inspiriert von einer niederländischen Flachsgruppe jeweils ein kleines Flachsbeet bearbeitet. Wir haben auch gehechelt und stehen jetzt vor der Herausforderung, wie das Ganze auf einen Rocken gebunden wird.
    Ich würde so gerne bis zum Flachsmarkt in Krefeld schon ein wenig Spinnerfahrung mit Flachs haben…
    Ich habe schon einiges mit deinen Videos gelernt und wollte einfach mal Danke sagen!
    Liebe Grüße aus Burlo
    Alex Gslonska

    • Hallo Alex, ganz lieben Dank für das nette Feedback. Wie toll, dass ihr eine eigene Flachsgruppe habt. Das find ich super klasse.Was das Aufbinden der Fasern auf den Rocken angeht, hier zwei Links, die die vielleicht helfen könnten: 1. 2021 habe ich das Thema Flachs spinnen in einem Mitglieder-Livestream behandelt: https://www.youtube.com/live/WvBQTAn4NXg?feature=share2. Josefin Waltin ist auch eine tolle Quelle und zeigt in diesem Video wie sie Flachs auf einen Rocken bindet: https://youtu.be/UUeYJKOYrSkVielleicht hilft dir das weiter.Ganz liebe GrüßeChanti

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