Spinnen fĂŒr Fortgeschrittene

Garnstudie: Fadenanzahl

Diese Garnstudie (Mit einem Klick auf den Link gelangt ihr zu einer Übersicht der bisherigen Garnstudien) besteht eigentlich aus zwei Garnstudien. In beiden habe ich mich mit der Fadenanzahl von Garnen auseinander gesetzt.
FĂŒr die erste habe ich aus einem Kammzug immer dĂŒnnere FĂ€den gesponnen, um mehr FĂ€den miteinander verzwirnen zu können, ohne ein signifikant dickeres Garn zu erhalten.
Und in der zweiten Studie habe ich aus einem gleichen Kammzug 6 gleiche FĂ€den gesponnen und unterschiedlich viele FĂ€den miteinander verzwirnt, um die GarnstĂ€rke zu verĂ€ndern. Hier teile ich meine Ergebnisse und Erfahrungen mit euch. Das Video dazu findet ihr ganz unten in diesem Beitrag.

Alle 8 Garne, jeweils von links nach recht: Single, zweifÀdig, dreifÀdig und sechsfÀdig.

Die Garne

Erstes Projekt:

FĂŒr diese Garne habe ich die Singles immer dĂŒnner gesponnen, damit sich die fertigen Garne nicht zu sehr von einander unterscheiden. Dabei habe ich bewusst nicht die WPIs der Singles gemessen. Das Ergebnis sollte nicht mathematisch korrekt sein, sondern intuitiv. Das hat auch ganz gut funktioniert. Die GarnstĂ€rken sind nicht zu unterschiedlich und vor allem in den Strickproben, die ihr weiter unten sehen könnt, sieht man das die Unterschiede vor allem im Strickbild sichtbar sind. 

GarnWPILL auf 100g
Singlegarn24780m
Zweifachgarn20468m
Dreifachgarn16334m
Sechfachgarn14234m

Zweites Projekt: fĂŒr diese Garne habe ich eine SinglestĂ€rke gesponnen und dadurch ganz unterschiedliche GarnstĂ€rken in den verzwirnten Garnen erhalten. Die WPI-Unterschiede sind mitunter Ă€hnlich wie bei dem ersten Projekt. Aber es gibt ein paar grĂ¶ĂŸere SprĂŒnge und vor allem die Maschenproben unterscheiden sich immens.

GarnWPILL auf 100g
Singlegarn38911m
Zweifachgarn20455m
Dreifachgarn17227m
Sechfachgarn11144m

Euch fĂ€llt vielleicht auf, dass das Singlegarn des zweiten Projekts viel dĂŒnner ist (38 WPI) als das Singlegarn des ersten Projekts (24 WPI). Dazu muss man sagen, dass ich beide Garne auf unterschiedliche Weise nachbehandelt habe, worĂŒber ich zum Schluß noch Mal sprechen werde.

Die sechfÀdigen Garne habe ich jeweils aus zwei FÀden kettengezwirnt. Dazu habe ich ein Video gemacht, das ihr euch anschauen könnt, falls euch die Technik interessiert: https://chantimanou.de/6fach-garn-aus-zwei-faeden/

Drall

Vergleich zwischen den zweifÀdigen Garnen der beiden Projekte

Wie stark die FĂ€den verdreht sind (und darauf habe ich bei diesem Projekt nicht sonderlich geachtet) und wie stark sie miteinander im Zwirn verdreht sind, hat auf jeden Fall auch einen Einfluss darauf, wie das Garn spĂ€ter wirkt. Wahrscheinlich habe ich die FĂ€den fĂŒr das erste Projekt sehr viel fester versponnen, als fĂŒr das zweite Projekt – eventuell auch aus der BemĂŒhung heraus immer dĂŒnner zu spinnen.
Und dementsprechend habe ich dann wohl auf fester verzwirnt, um den Spinndrall auszugleichen. Die Optik des zweichfach verzwirnten Garns aus dem ersten Projekt ist auf jeden Fall sehr viel dichter, als die des Garns, das ich spĂ€ter fĂŒr das zweite Projekt verzwirnt habe. 
Wobei man im Hinblick auf zweifÀdigen Garne im Beispiel sagen muss, dass sich die Strickproben nicht so sehr voneinander unterscheiden, wie die Garne auf den ersten Blick glauben lassen (siehe Vergleichsfotos weiter unten).

Garnstruktur und GarnstÀrke

Verzwirnt man mehr als zwei FĂ€den miteinander wird das Garn runder. Ein- und zweifĂ€dige Garne sind eher flach. Steht die Struktur des Garns im Vordergrund, wird aber eine bestimmte NadelstĂ€rke benötigt, kann man ausprobieren die Singles dĂŒnner zu spinnen und entsprechend mehr FĂ€den miteinander zu verzwirnen, um zum Beispiel ein runderes Garn zu erhalten.

Alle vier Garne des ersten Projekts

Umgekehrt kann man die Garnstruktur aber auch vernachlĂ€ssigen, gerade dann wenn es einem eventuell eher schwer fĂ€llt unterschiedliche StĂ€rken zu spinnen. So kann man durch das Verzwirnen von mehr oder weniger FĂ€den einfach dickere oder dĂŒnnere Garne produzieren. Das hat natĂŒrlich auch Auswirkungen auf die Optik der Garne, wie wir in den nĂ€chsten Abschnitten noch sehen werden. 

Alle vier Garne des zweiten Projekts

Strickproben des ersten Projekts im Vergleich 

Die Strickproben aus dem ersten Projekt, bei dem ich die Singles immer dĂŒnner gesponnen habe, um mehr FĂ€den miteinander verzwirnen zu können unterscheiden sich in ihrer GrĂ¶ĂŸe erstaunlicherweise nur sehr minimal.DafĂŒr sind die Strukturunterschiede um so sichtbarer. 

Links: Singlegarn 24 WPI / Rechts: Sechsfach-Garn aus dĂŒnenren Singles (fertiges Garn 14 WPI)


Das Singlegarn und das Sechfachgarn unterscheiden sich wie Tag und Nacht, auch wenn die Proben sich in der GrĂ¶ĂŸe nicht sonderlich voneinander unterscheiden.
Das Singlegarn ist matter und viel flacher. Es wirkt luftiger und heller. Das sechfach gezwirnte Garn gibt definiertere Maschen, die Probe ist etwas dicker und vor allem tragen Zöpfe und zusammen gestrickte Maschen mehr auf.

Links: Zweifach-Garn / Rechts: Dreifach-Garn

Auch das zweifach und das dreifach verzwirnte Garn unterscheiden sich in der Strickprobe etwas, wenn auch nicht ganz so signifikant. Das dreifach verdrehte Garn ist runder und wirkt ein wenig weicher. Das zweifach verzwirnte Garn gibt eine etwas kernigere Optik, auch wenn es insgesamt flacher ist. Interessanterweise sind die Maschen bei dem dreifĂ€digen Garn um einiges höher geworden.
Auch in diesem Vergleich kann man sehen, dass ein runderes Garn, in diesem Fall das DreifĂ€dige, mehr Struktur in Zöpfe und zusammen gestrickte Maschen bringt. 
Die Löcher in dem Lochmuster fallen bei der Singlegarnprobe am meisten auf, bei dem sechsfachen Garn am wenigsten.

Die Strickproben des zweiten Projekts im Vergleich

Alle Strickproben des zweiten Projekts

Die Strickproben des 2. Projekts unterscheiden sich in ihren GrĂ¶ĂŸen immens, vor allem im Vergleich zum 1. Projekt.
Der Vergleich zwischen dem Singlegarn und dem sechsfach verzwirnten Garn zeigt hier noch dramatischere Unterschiede.

Oben: Sechsfach-Garn / Unten: Singlegarn

Ich habe von dem 6fach Garn nicht so viele MustersĂ€tze stricken können, wie mit dem Single, dennoch ist sie enorm viel grĂ¶ĂŸer. Wahrscheinlich wĂ€re sie insgesamt 4mal so groß geworden, wie die Singlegarnprobe.
Hier muss man allerdings auch anmerken, dass ich mit unterschiedlichen NadelstÀrken gestrickt habe, um dem immensen Unterschied in der GarnstÀrke gerecht zu werden.
Das dicke 6fach Garn wĂ€re durchaus fĂŒr MĂŒtzen oder dicke Schals geeignet. Die Maschen sind sehr klar und heben sich schön voneinander ab.
Schön finde ich auch zu sehen, dass die ElastizitÀt der Fasern in beiden Garnen und Strickproben erhalten geblieben ist!

Links: ZweifÀdiges Garn / Rechts: DreifÀdges Garn

Die Strukturunterschiede zwischen dem zweifÀdigen und dem dreifÀdigen Garn sind so gut wie die gleichen, wie bei dem vorherigen Projekt.
Der GrĂ¶ĂŸenunterschied zwischen den beiden Garnen ist in den Strickproben allerdings um einiges sichtbarer, als bei dem ersten Projekt. Und das obwohl der WPI-Unterschied gar nicht so groß ist. Was sich hingegen deutlich unterscheidet sind die LauflĂ€ngen! Und das macht sich auch in den fertigen StrickstĂŒcken bemerkbar.

LauflÀngen

Obwohl sich die WPI bei den zweifĂ€digen und dreifĂ€digen Garnen in den beiden Garnen sich nicht so sehr von einander unterscheiden, so sieht man den Unterschied doch in der LauflĂ€nge. Bei dem zweiten Projekt, bei dem alle Singles die gleiche StĂ€rke hatten, hat das dreifĂ€dige Garn nur noch halb so viel LauflĂ€nge wie das ZweifĂ€dige (zweifĂ€dig 455m/100g und dreifĂ€dig 227m/100g).

Bei dem ersten Projekt, bei dem ich die Singles fĂŒr das dreifĂ€dige Garn dĂŒnner gesponnen habe, als fĂŒr das zweifĂ€dige Garn, ist der Unterschied sehr viel geringer. (zweifĂ€dig 468m/100g und dreifĂ€dig 334m/100g).

Das heißt auch bei gleicher Fadenanzahl und Ă€hnlichem WPI hat man nicht unbedingt auch wirklich gleiche Garne. Das fĂ€llt in den Strickproben hier mehr auf als in den GarnstrĂ€ngen. 

Oben: die Garne des zweiten Projekts / Unten: die gleichen Garne des ersten Projekts

Viele FĂ€den geben nicht immer ein dickes Garn 

Links: sechfaches Garn des zweiten Projekts / Rechts: sechsfaches Garn des ersten Projekts

Die beiden sechsfach verzwirnten Garne könnten unterschiedlicher nicht sein. WĂ€hrend das Garn aus dem ersten Projekt, aus sehr sehr dĂŒnnen Singles, ein Garn ergibt aus dem man durchaus einen Pullover stricken könnte, ist das zweite Sechsfach-Garn so dick, dass es sich eher fĂŒr MĂŒtzen oder Schals eignet.

Das dĂŒnnere Garn hat eine LauflĂ€nge 234m/100 was etwa einem DK-Garn entspricht und sich in grĂ¶ĂŸerer Menge schnell stricken lassen wĂŒrde. Ausserdem fĂŒhrt das Verzwirnen so vieler FĂ€den zu einem robusteren Garn, das weniger anfĂ€llig fĂŒr Pilling und Risse ist.
Das dickere Garn hingegen hat eine LauflĂ€nge von 144m/100g und wĂ€re damit wahrscheinlich viel zu schwer fĂŒr ein richtiges KleidungsstĂŒck. DafĂŒr ist es kuscheliger und wirkt insgesamt noch runder und voller.
Im Hinblick auf ElastizitĂ€t steht aber keines der Garne hinten an. 

Singlegarne können auch unterschiedliche Strukturen haben

Zum Schluß möchte ich auch kurz noch die beiden Singlegarne miteinander vergleichen. Denn der Unterschied dieser beiden liegt nicht nur in der StĂ€rke, sondern auch in der Struktur.

Dieser Unterschied ist entstanden weil ich die Garne unterschiedlich behandelt habe. Das erste Garn habe ich in WechselbĂ€dern angewalkt, so dass es ein wenig mehr aufgegangen ist und dadurch deutlich luftiger und lockerer wirkt. Wahrscheinlich ist es dadurch auch dicker geworden (ich habe den WPI allerdings nicht vor der Behandlung gemessen).

Links: Singlegarn erstes Projekt / Rechts: Singlegarn zweites Projekt

Das zweite Garn habe ich gebĂŒgelt. Dadurch habe ich ein dichteres und definierteres Garn. Das Garn filzt zwar auch ein wenig an der OberflĂ€che und erhĂ€lt dadurch StabilitĂ€t, aber die GarnstĂ€rke verĂ€ndert sich nicht merkbar und dadurch wirkt auch das Maschenbild viel definierter. 

Fazit

Es kann durchaus Sinn machen sich vorab Gedanken darĂŒber zu machen, ob fĂŒr ein Projekt die GarnstĂ€rke oder die Garnstruktur im Vordergrund stehen.
Ich denke der Vergleich gibt euch viele Hinweise darauf worauf ihr achten könnt. Vielleicht inspiriert es euch ja auch Garne zu spinnen oder zu zwirnen, die ihr vorher nicht in Betracht gezogen hÀttet.

Es spielen immer mehr Faktoren eine Rolle als nur FadenstĂ€rke oder nur Fadenanzahl. Da ist es natĂŒrlich nicht immer leicht zu entscheiden, was man eigentlich will. Aber andererseits zeigt auch dieses Projekt, in meinen Augen, wieder, dass es in der Handspinnerei eigentlich nie langweilig werden kann und es immer etwas Interessantes zu entdecken und zu lernen gibt.

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